Moderation:Dirk Stichweh und Rolf Nidrich
Protokollführung:Waltraud Kaiser

Das Beschwerdemanagement  umfaßt die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden ergreift. Unter Beschwerden ( def. Beschwerde: Abweichung von der subjektiven Erwartung auf die tatsächliche Leistungserfüllung) sind alle zum Ausdruck gebrachten Unzufriedenheiten  zu verstehen, die Kunden gegenüber dem Unternehmen bzw. Drittinstitutionen (wie Medien oder Verbraucherorganisationen) mit dem Zweck äußern, auf ein als unangemessen empfundenes Verhalten des Anbieters aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Schäden zu erreichen oder eine Änderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken.

Die generellen Ziele des Beschwerdemanagement liegen darin, Kundenzufriedenheit wiederherzustellen, die negativen Auswirkungen von Kundenunzufriedenheit auf das Unternehmen zu minimieren und die in Beschwerden enthaltenen Hinweise auf betriebliche Schwächen und Chancen zu identifizieren und zu nutzen.

Diese Ziele lassen sich nur erreichen, wenn für unzufriedene Kunden leicht zugängliche Beschwerdekanäle geschaffen werden, eine sach- und problemgerechte Beschwerdereaktion und -bearbeitung erfolgt sowie Beschwerden systematisch hinsichtlich ihres informativen Gehaltes ausgewertet werden. Deshalb liegen die wesentlichen Aufgaben des BM bei der Beschwerdestimulierung, -annahme, -bearbeitung und -reaktion. Außerdem ist es zwingend erforderlich, daß eine Beschwerdeauswertung erfolgt, Effektivität und Effizienz im Rahmen eines Beschwerdecontrolling überwacht und Informationen im Form von Beschwerde-Reportings in geeigneter Form an die verschiedenen internen Zielpersonen und -gruppen gelangen.

Im Rahmen der Beschwerdestimulierung sollen unzufriedene Kunden dazu bewegt werden, die von ihnen wahrgenommenen Probleme gegenüber dem Unternehmen vorzubringen.

Die Phase der Beschwerdeaufnahme betrifft die Gestaltung des Kontaktes mit dem unzufriedenen Kunden sowie die Erfassung der Beschwerdeinformation. Mit der unmittelbaren Reaktion auf eine vorgebrachte Beschwerde im Erstkontakt bestimmen Unternehmen maßgeblich darüber, ob die Unzufriedenheit des Kunden abgebaut oder gar noch gesteigert wird, daher kommt es bei der Beschwerdereaktion wesentlich darauf an, daß die Mitarbeiter über Beschwerdewege und Bearbeitungsstandards informiert sind und durch entsprechende Schulungen auch über sozialpsychologische  Kenntnisse  zur Beruhigung der Situation verfügen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, daß  Prinzip des Beschwerdeeigentümers anzuwenden. Danach haben Mitarbeiter, an die eine Beschwerde heran getragen wird, das „Eigentum“ an dieser Beschwerde und sind entweder für deren unmittelbare Lösung oder für die Weiterleitung an zuständige Stellen verantwortlich.

Im Aufgabenfeld der Beschwerdebearbeitung und -reaktion geht es um die Gestaltung der internen Bearbeitungsprozesse, die Festlegung von Verantwortung, die Definition von Bearbeitungsterminen sowie die Installation von Mechanismen zur Überwachung der Termineinhaltung (Eskalationssystem).

Es sind Umfang und die zeitliche Gestaltung der Kommunikation festzulegen (z.B. Eingangsbestätigung und Zwischenbescheid, die Form – mündlich, schriftlich oder telefonisch, Zeitspannen). Es sollte auch festgelegt werden, welche Kompensationsangebote wie z.B. finanzielle (Schadensersatz), materielle (Geschenk) oder immaterielle (Entschuldigung, Information)  zur Beschwerdelösung in Betracht kommen.

Beschwerden erhalten Hinweise auf Produktschwächen und Planungsmängel und somit auch auf Marktrisiken und Chancen. Daher ist es Aufgabe der Beschwerdeauswertung, die in Beschwerden enthaltenen Informationen quantitativ und qualitativ auszuwerten und die Ergebnisse systematisch für unternehmerische Entscheidungen bereitzustellen und für kontinuierliche Verbesserungen  zu nutzen.

Das Beschwerde-Controlling umfaßt zwei zentrale Teilbereiche: Aufgaben-Controlling und Kosten-Nutzen-Controlling.

Das Aufgaben-Controlling überwacht, inwieweit die Aufgaben des BM erfüllt werden: Leistungsindikatoren z.B. zeitliche Vorgaben für die Schnelligkeit der Beschwerdebearbeitung oder Kundenzufriedenheitsbefragungen  im Rahmen der Beschwerdezufriedenheit.

Das Kosten-Nutzen-Controlling hat die Funktion, die Kosten- und Nutzeneffekte eines Beschwerdesystems abzuschätzen.

Die im Rahmen von Beschwerdeauswertung und Beschwerde-Controlling gewonnenen Informationen sind in geeigneter Form durch ein spezifisches Beschwerde-Reporting den Entscheidungsträgern zuzustellen. Dazu bedarf es der Festlegung, für welche Zielgruppe (Geschäftsleitung, Qualitätssicherung, Marketing etc.)  welche Auswertungen (quantitativ und qualitativ) in welchen Zeitintervallen (täglich, wöchentlich, monatlich) aufbereitet und weitergeleitet werden müssen.

Hinsichtlich der organisatorischen Verankerung können Beschwerdeannahme, -reaktion und -bearbeitung alternativ in dezentralen, zentralen oder dualen Mischsystemen  vorgenommen werden.

Eine dezentrale Beschwerdearbeit erweist sich in der Regel als vorteilhaft, wenn verschiedene Einheiten häufig direkten Kundenkontakt haben, die zur Lösung der häufigsten Probleme erforderliche Fachkompetenz dort vorhanden ist und das Problem vor Ort schneller und wirtschaftlicher als in der Unternehmenszentrale gelöst werden kann.

In einem zentralen Beschwerdesystem werden sämtlich Beschwerden unmittelbar einer einzigen Organisationseinheit zugeleitet, die ausschließlich für die Bearbeitung zuständig ist. Eine zentrale Lösung bietet vor allem bei hohem Beschwerdeaufkommen Vorteile in bezug auf die Vollständigkeit der Beschwerdeerfassung sowie die Effizienz der Beschwerdebearbeitung und der Beschwerdeauswertung.

Vielfach existieren in der Praxis Mischformen, weil Unternehmen ihre Kunden entweder generell mehrere Beschwerdewege  einräumen oder für den Fall, daß die primär zuständige dezentrale Beschwerdebearbeitung nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt, die zentrale Einheit als endgültige Entscheidungs- und Konfliktregelungsinstanz vorsehen.

Die Teilnehmer des Forums berichteten aus ihren Unternehmungen ob und inwieweit das Beschwerdemanagement – mit welchen Bestandteilen und in welcher Organisationsform – in der Planungsphase, im Aufbau sich befindet oder bereits realisiert ist:

Komponeten des Beschwerdemanagements:

1.     direkter Beschwerdeprozeß

  • Beschwerdestimulierung
  • Beschwerdeannahme
  • Beschwerdeerfassung
  • Beschwerdebearbeitung
  • Beschwerdereaktion

2.     Indirekter Beschwerdeprozeß

  • Beschwerdeauswertung
  • Beschwerdecontrolling
  • Beschwerdereporting

3.     Beschwerdestimulierung

  • Meinungskarten
  • Kundenbefragungen
  • Service-Center
  • Testanrufe/Testkäufe
  • Internet

4.     Beschwerdeannahme

  • Mitarbeiterqualifikation (Wollen, Können, Dürfen)

5.     Beschwerdeerfassung

  • Beschwerdeproblem
  • Beschwerdeführer
  • Beschwerdeobjekt
  • Reaktionen
  • Historie

6.     Beschwerdebearbeitung

  • Verantwortung
  • Termine
  • Termineinhaltung
  • Eskalationssysteme

7.     Beschwerdereaktion

  • Art der Lösung
  • Finanzielle Angebote (Nachlaß etc.)
  • Materielle Angebote (Umtausch, Wechsel, Reparatur etc.)
  • Immaterielle Angebote (Entschuldigung etc.)

8.     Beschwerdeauswertung

  • Informationssammlung (zentral/dezentral)
  • Priorisierung  (Produktlinie, Privatkunde)
  • Schwachstellenanalyse
  • Ursachenforschung  (keine Schuldzuweisung!)
  • Schnittstelle TQM

9.     Beschwerde-Controlling

  • Kundenzufriedenheitsanalyse
  • Standardüberprüfung
  • Rentabilitätsprüfung
  • Kostenüberprüfung
  • Nutzenrechnung

10. Beschwerde-Reporting

  • Wer erstellt die Reports?
  • Wer bekommt die Reports?
  • Wie oft wird reportet?
  • In welchem Umfang?

11. Beschwerde-Organisation

  • Zentral
  • Dezentral
  • Dual

Nur 10 von 100 Kunden beschweren sich, 90 wandern stillschweigend ab. Das bedeutet: Beschwert sich ein Kunde, sind wahrscheinlich 10 Kunden ebenfalls unzufrieden!

Gleichzeitig ist die Kundenbeschwerde die preiswerteste Korrekturmaßnahme, ein kostenloser Hinweis auf Schwächen im Unternehmen!

Einführung eines Beschwerdemanagement nur wenn der Vorstand dahinter steht! Eine Anbindung des Beschwerdemanagement ist daher zwingend nötig, um die notwendige Akzeptanz herzustellen.

Sucht nicht den Schuldigen, sondern beseitigt das Problem! Das Beschwerdemanagement ist nicht für interne Beschwerden über andere Mitarbeiter da! Die Mitarbeiter müssen sicher sein, daß sie für dokumentierte Beschwerden nicht bestraft werden. Sorgt für Vertrauen und Akzeptanz, leistet Überzeugungsarbeit bei den Mitarbeitern!